Geschichte

Die Anfänge

1000 vor Christus bis 300 nach Christus: Entstehung der Bibel. Dort gibt es Schutzbestimmungen für GL, z. B.: "Du sollst einen tauben Menschen nicht verfluchen." Der Taube kann den Fluch nicht hören. Er kann sich nicht wehren. Eine andere Schutz-Bestimmung: "Tu deinen Mund auf für die Stummen." Das bedeutet: Die Menschen, die selbst nicht reden können, brauchen Hilfe. Im Neuen Testament wird erzählt: Jesus heilt einen Gehörlosen. Der Gehörlose kann plötzlich wieder hören und sprechen. Er gehört wieder zur Gemeinschaft. Gehörlose waren damals sehr isoliert.

 

Martin Luther und die Reformation

1520: Martin Luther wurde gefragt, ob Gehörlose am Abendmahl teilnehmen dürfen. Das war eine wichtige Frage. Wer am Abendmahl teilnehmen durfte, war nicht nur ein guter Christ, sondern auch ein vollwertiger Bürger. Viele sagten damals: Gehörlose verstehen nicht, worum es beim Abendmahl geht. Sie sollen nicht teilnehmen. Aber Luther denkt anders. In einem Aufsatz über das Neue Testament schreibt er: Die Stummen (Luther meint die Gehörlosen) können am Abendmahl teilnehmen, denn Gott hat "sie so wohl zu Christen gemacht wie uns; darum, wenn sie vernünftig sind und man aus sicheren Zeichen merken kann, dass sie es aus rechter christlicher Andacht begehren," soll man sie teilnehmen lassen: "Es mag sein, dass sie innerlich höheren Verstand und Glauben haben als wir". Aber wie können die Gehörlosen über den christlichen Glauben unterrichtet werden? Schulunterricht gab es noch nicht. Darum haben einige Pfarrer mit Bildern und Zeichen über den Glauben informiert.

 

GL-Schulen im 19. und 20. Jahrhundert

18. / 19. Jh.: Von Anfang an gehörte Religionsunterricht an die Gehörlosen-Schulen. Dieser wurde auch von zwei gehörlosen Lehrern erteilt: Einer heiß Carl Wilke, der andere Habermaaß. Es gab auch Schulandachten, aber noch keine Angebote für erwachsene Gehörlose.

1866 bekommt der Hilfsprediger Reinhold Schoenberner in Berlin den besonderen Auftrag, für die in der Stadt wohnenden "Taubstummen" tätig zu sein.

Seit 1855 gab es "Kirchenfeste für Taubstumme" in Berlin. Sie sind aus Schulfesten entstanden. Organisator war Eduard Fürstenberg. Im Laufe der Jahre kamen bis zu 600 Personen. 1882 werden die Kirchenfeste vom Kaiser verboten. Es war zu sexuellen Kontakten unter Unverheirateten gekommen. Das war damals "unmöglich"!

1882: Schoenberner benutzt Gebärden. Der Direktor der Gehörlosen-Schule, Herr Dr. Treibel, lehnt dies ab, denn seit 1880 sind Gebärden in der Schule verboten Das Konsistorium (= Kirchliche Verwaltung) entscheidet für die Gebärden.

Die Gehörlosen-Pfarrer haben sich immer mehrheitlich für Gebärden ausgesprochen, da die Gehörlosen sie verwenden und die Verständigung im Gottesdienst mit Gebärden einfacher ist.

1889: Erste Ausbildung für Gehörlosen-Seelsorger: Sechswöchige Hospitation und Vorträge in der Taubstummenanstalt bei Direktor Walther. Unterricht in der Gebärdensprache gab Superintendent Schoenberner, nach dessen Tod Pastor Schulz (1867-1954).

 

Das 20. Jahrhundert

1927: Pfr. Otto Bartel gründet in Berlin den Ev. Gemeindeverein der Gehörlosen. Dieser Verein war lange Zeit gleichbedeutend mit "Kirche für Gehörlose": Gehörlose, die zur Kirche gehen wollten, gingen zum Verein. Die Mitgliederzahlen wuchsen rasch. Ende 1946 hatte der Verein ca. 700 Mitglieder.

1934: Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" schreibt bei erblicher Taubheit die Zwangssterilisierung vor. Die Gehörlosenpfarrer sehen zwar die großen Probleme, die dieses Gesetz für die Betroffenen bringt. Aber zu viele von ihnen teilen die nationalsozialistische Idee der "Rassenhygiene" - oder sie haben keinen Mut zum Widerspruch. So empfehlen sie den Gehörlosen in einem Aufruf, sich zum Wohl des Volkes sterilisieren zu lassen.

Nach dem Krieg hat man eingesehen: Damals hat die Kirche die Gehörlosen im Stich gelassen. Dafür hat sie sich später entschuldigt. Eine Wiedergutmachung gab es für Zwangssterilisierte nicht. Erst im Jahr 1998 ist das "Erbgesundheits"-Gesetz von 1934 aufgehoben worden.

1951: Ein Haus des Vereins wird zu einem Altersheim für Gehörlose umgebaut. Das war dringend nötig, denn vorher wurden hilflose Gehörlose in die Nervenheilanstalt in Wittenau eingewiesen, obwohl sie gar nicht geistig oder psychisch behindert waren. Das Altersheim muss 1983 geschlossen werden, weil der Berliner Senat neue Richtlinien für die Ausstattung von Altersheimen erließ: Nasszellen, stufenlose Eingänge, Fahrstühle. Der Umbau wäre zu teuer gewesen.

1975: Verein und Gemeindearbeit werden getrennt. Der Pfarrer ist nicht nur für den Verein und für Vereinsmitglieder da, sondern für jeden getauften Gehörlosen. Seitdem bestehen der Ev. Verein und Ev. GL-Gemeinde nebeneinander.

1990: Vereinigung der seit 1961 durch die Mauer in Ost- und West-Berlin getrennten Hälften der Gehörlosengemeinde.

1996/97: Als erste gehörlose Pfarrerin wird Sabine Fries in der Gemeinde ausgebildet: Sie arbeitet von April 1996 bis Januar 1997 als Vikarin in der Gehörlosengemeinde.

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